
Paul Jacobsen

Paul Jacobsen, der in Brooklyn, New York, lebt und arbeitet, war Assistent bei Jeff Koons, Sean Scully und Rudolph Stingel. In seiner Serie „Studies in Movements“ thematisiert er die schwarze Flagge, die als autoritäres Symbol gilt und die Abwesenheit oder den Widerstand gegen einen Nationalstaat repräsentiert. Der Künstler sieht Politik zunehmend kritisch. Auch wenn die Gesellschaft weit entfernt von Egalitarismus steht, glaubt Jacobsen, dass in jüngster Zeit ein neues, dunkles, Kapitel in der Geschichte Amerikas aufgeschlagen wurde, was neben den Kohlezeichnungen auch durch seine Videoarbeit zum Ausdruck kommt. In Jacobsens aktuellen Arbeiten konzentriert sich der Künstler auf das Motiv der Flaggen, der Stoff abstrahiert zu einer markanten, dunklen Form, die im Wind zu flattern scheint. Symbolhaft spricht Paul Jacobsen in seinen Werken den Werteverlust und die damit einhergehende, schwindende Ausstrahlung der Nationalflagge an. Seine Papierarbeiten erweisen sich gleichermaßen als Provokation und eindringliches Mahnmal.






geboren in Denver, USA
Maler für Jeff Koons, Manhattan, New York, USA
Künstlerassistent für Sean Scully, Manhattan, New York, USA
Maler und Assistent für Rudolf Stingel
lebt und arbeitet in Brooklyn, New York, USA
„Badlands: New Horizon in Landscape“, Denise Markonish, Cambridge: MIT Press
„Paul Jacobsen: Orgone“, Denver: David B. Smith Gallery
„Village“, GALERIE VON&VON, Nürnberg
Chris Hartman, Upstate Diary, Fall
Ambrose Martos, “Paul Jacobsen Building and Burning” Jugular Magazine
London, Monica "Nel Nido Del Gufo", Elle Decor Italia, Mai
Paglia, Michael “2015 Top Tens”, art ltd., Januar
Wilder Quarterly, „Opening Ceremony New News: Inside Paul Jacobsen‘s Brooklyn Cabin”, 22.08.2012
Denver Post, „Denver‘s David B. Smith Gallery seizes the moment”, Ray Mark Rinaldi, 19.08.2012
Artlog „Paul Jacobsen Pursuing a Utopian Apocalypse” Grace Yvette Gemmell, 2011
Huffington Post, „Jacobsen’s Counter and Culture”, Alexander Adler, 2011
ArtInfo: Margery Gordon, 05.12.2008, Titelbild: Metaphorical Investigation of Metaphysical Reunion 300 × 185 cm, Öl auf Leinwand, 2008 Paul Jacobsen
"Spiritual Surveillance", David B. Smith Gallery, Denver, USA
Volta Basel, GALERIE VON&VON
Dallas Art Fair, David B. Smith Gallery, Denver, USA
„Material Ethereal“, Signs and Symbols, New York, USA
„durch die Außenseite, die vergoldete Eule“, Hudson, New York, USA
„Trauerflaggen“, Galerie Tanja Grunert, New York, USA
„Spirit Orbs“, Tanja Grunert Gallery, New York, USA
„Outpost“, David B. Smith Gallery, Denver, USA
„Lean-to“, Klemens Gasser & Tanja Grunert, New York, USA
„Orgone“, David B. Smith Gallery, Denver, USA
„Village“, GALERIE VON&VON, Nürnberg
„Cabin“, Sunny’s Bar Back Room, Brooklyn, USA
„Mouthpiece“, Klemens Gasser & Tanja Grunert,
New York, USA
„Paul Jacobsen: Paintings and Drawings“,
Klemens Gasser & Tanja Grunert, New York, USA
„Dallas Art Fair“, David B. Smith Gallery, Denver, USA
„Es gibt nichts, was ich sagen kann.“, Flag Kunststiftung, New York, USA
„Fractured Body“, FAB Gallery of Tirana University of Arts, Albanien
„Metagalaktik“, David B Smith Galerie, Denver, Colorado, USA
„Beyond 1.1“, Tanja Grunert Gallery, New York, USA
„Nothing Is Ever What We Think“, Anderson Ranch Arts Center, Snowmass, USA
„Monsalvat“, Bureau, New York, USA
„Together Again“, Radiator Gallery, New York, USA
David B. Smith Gallery, Denver, USA
David B. Smith Gallery, Denver, USA
„Homebody“, Still House, New York, USA
„One Acre Plot“, Majestic Farm, New York, USA
„Imaginary Home“, Anderson Ranch Arts Center,
Snowmass, USA
„Badlands“, MASS MoCA, North Adams, USA
„A Tribute to Paul Cézanne“, Yvon Lambert, New York, USA
„Hedonistic Imperative“, Jack the Pelican Presents, New York, USA
„Crumbs“, 450 Broadway Gallery, New York, USA
„Biennial“, Aspen Art Museum, Aspen, USA
„Biennial“, Aspen Art Museum, Aspen, USA
Messias-Komplex
Andrea Hill, Kuratorin, New York
25.11.2017
Daniel Burens bahnbrechender Essay „The Function of the Studio” von 1971 hatte zur Folge, dass Künstler sich scharenweise vom traditionellen Atelier abwandten, hin zu raumspezifischen Arbeitsweisen etwa oder Strategien der Auslagerung künstlerischer Produktion. Für Paul Jacobsen und viele weitere zeitgenössische Künstler hingegen bleibt das Atelier der Mittelpunkt ihres Schaffens, ein realer Ort, wo kreative mentale Prozesse in Gang gesetzt werden. So erweist sich Jacobsens Atelier als ein ständig in Bewegung befindliches Arrangement von Gemälden, eingebettet in ein Sammelsurium aus Fotografien, Bildern aus dem Internet, Gegenkulturliteratur, handverlesenen Holzbrettern, Fensterrahmen, Gläsern mit Federn oder zufällig gefundenen Stühlen und Hockern.
Jacobsen ist ein passionierter Sammler einzigartiger Objekte, deren Herstellung einst echte Handwerkskunst erforderte – und so erstaunt es kaum, dass auch seine Gemälde vorindustrielle Prinzipien in ein postzivilisatorisches Zeitalter übertragen, wo diese Fertigkeiten wieder gefragt sein werden. Die Bildvorlagen in seinem Atelier stammen aus verschiedensten Büchern, privaten und inszenierten Fotografien ebenso wie aus dem Internet heruntergeladenen Aufnahmen von Freiheitskämpfern/Terroristen, Mind-Control-Entwicklern und Sektenführern. Jacobsen schafft hier eine Bühne, auf der die natürliche Welt und ihre Werte wie Handwerk, Geschick und Schönheit wieder die Oberhand gewinnen über die in der modernen Gesellschaft seit dem 18. Jahrhundert dominanten industriellen und technischen Werte.
Die Gemälde von 2005 – 2009 zeigen eine natürliche Welt, noch erkennbar geprägt von der Formensprache traditioneller Landschaften, doch geplagt von übermächtigen Zeugnissen der Wegwerfgesellschaft. In dieser Serie beschäftigt Jacobsen sich mit der Vorstellung vom Leben nach dem Ende der Zivilisation. Die Menschen wenden sich wieder den alten Fertigkeiten zu, errichten ihre Behausungen in Form traditioneller Jurten, Tipis und Erdbauten, stellen ihre Kleidung selber her, spielen mit Tieren und genießen die arbeitsfreie Zeit. Die wenigen im Zuge der Entvölkerung verbliebenen weiblichen Wesen in Jacobsens Welt naschen nackt Obst oder aalen sich im Mondlicht. Vorausgegangen muss diesen idyllischen Szenen ein grundlegender Neuanfang sein – und möglicherweise gewaltsame Auseinandersetzungen, wie es die Monumente aus aufgehäuftem Müll in „The Last Spectacle” (2005) und „The Final Record of the Last Moment of History” (2008) andeuten. Die Berge aus Raketen, Traktoren, Autoteilen und Metallschrott erinnern dabei an historische Scheiterhaufen wie Girolamo Savonarolas „Fegefeuer der Eitelkeiten“ aus dem Jahr 1497 oder die Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten von 1933. Jenseits der idyllischen Fassade stellt sich hier die Frage, ob die Rückkehr ins Paradies nur durch einen gewaltsamen Umsturz möglich war.
Die Symbole der Revolution sind bei Jacobsen das Unendlichkeitszeichen und die Flagge. „Infinity Rainbow Bubble” (2002), das früheste Werk der Ausstellung, ist ein pinkes Tondo mit dem regenbogenfarbenen Möbiusband als Talisman des neuen Zeitalters, in dem die Natur über die Industrie herrscht. Dasselbe Unendlichkeitszeichen findet sich auch auf einer zerschlissenen Flagge wieder, die in „Ludic“ (2009) von Vögeln über eine idyllische pastorale Szene getragen wird und in „Black Horse, Black Crow, Black Flag” (2009) neben einem friedlich grasenden Pferd im Wind flattert. Die pinke Blase entleiht Jacobsen beim Zauberer von Oz und der Bilderwelt der Disneyfilme und kommuniziert damit sein eigenes spirituelles Logo. 1976 in Denver geboren und aufgewachsen im Roaring Fork Valley in Colorado, war der Künstler von frühester Jugend umgeben von idyllischer Naturlandschaft ebenso wie der Zurück-aufs-Land-Bewegung, feministischen Gruppen und New-Age-Strömungen als spirituelle Nachwirkung der 60er-Jahre. Als sein persönliches Banner steht das Regenbogen-Unendlichkeitszeichen für das geistige Streben nach der Rückkehr in diese fruchtbare Umgebung.
In den jüngeren Kohlezeichnungen von 2011 – 2013 konzentriert sich Jacobsen auf die Flagge als solche, wobei er alle Insignien weglässt und den Stoff zur dunklen Form abstrahiert, lose im Wind flatternd. Im Gegensatz zur anarchistischen Fahne, die als tiefschwarzes Feld die Abwesenheit einer Fahne – wie auch eines Landes – andeutet, sind die Charcoal Flags raffiniert abgestuft von tiefschwarz über mittlere Grautöne und weiß bis hin zu fließenden Lagen aus Kohlestaub. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass die scheinbar dunklen, leicht unregelmäßigen Rahmen vorsichtig geflämmt wurden, eine Referenz zum Prozess der Holzverkohlung. Feuer schafft Hitze, die Primärenergie schlechthin. Feuermachen kann Überleben sichern – doch im Kontext unserer heutigen prekären Umwelt gesehen, führt es auch zur Abholzung der Wälder und der Ausbeutung weiterer natürlicher Rohstoffe. Jacobsen zitiert Aric McBay’s Konzept des „Cascading Industrial Collapse”, demzufolge die „sinkenden Einnahmen einer Erdölindustrie jenseits der Spitzenproduktion oder ein Stromnetz, das durch das von endlosem Wachstum abhängige Wirtschaftssystem an seine Kapazitätsgrenzen gedrängt wird“ mehrere mögliche Szenarien für den Zusammenbruch der industrialisierten Welt aufzeigen. Die Charcoal Flags wehen als Protest gegen diese Realität und verweisen durch die Materialität der geflämmten Rahmen und der Kohle auf ihre eigenen Produktionsmittel. Die vom Stoff gleichsam abfallenden Kohlestaubspuren deuten an, dass die Flagge selbst möglicherweise auch brennt. Zurück bleibt die Asche einer verschwendeten Zivilisation.
Wie wir im gesamten Werk Paul Jacobsens sehen können, erweisen sich die malerischen, meistervoll ausgeführten Bilder stets als Illusion voller tiefgründiger Warnungen in Bezug auf unsere heutige Lebensweise und mögliche Szenarien nach dem Zusammenbruch der Industriegesellschaft. Die vielleicht schönsten und zugleich berüchtigtsten Motive Jacobsens sind aber die Lens Flares, Nebenprodukte, wie sie in Fotografie und Film durch die Lichtstreuung in der Kamera entstehen.
Zum ersten Mal tritt der Lens Flare in „Interventionist” (2004) auf, mit übernatürlichen Aspekten als Ergebnis UFO-ähnlicher fließender Lichtbündel. In den folgenden Werken „Primitive Domestic” (2005-07) und „And They Returned to the Green Wilderness to Live off the Land” (2009) wird der Lens Flare zum Landschaftselement, sein Lichtschleier erscheint auf Wäldern und Figuren. Hier werden Fotografie und Präsenz der Kamera durch die hyperrealistische Malweise zusätzlich betont. „Forest Path” (2009) stellt den Lens Flare als solchen in den Mittelpunkt, insbesondere dessen atmosphärische und halluzinogene Eigenschaften. Dazu Jacobsen: „Den Lens Flare habe ich als Motiv zunächst in Reaktion auf seine Verwendung im 24-Stunden-Nachrichtenzyklus, auf New-Age-Flugblättern und Softpornos gewählt. Für mich destillieren diese Arbeiten das Licht Gottes aus der Geschichte der Westlichen Malerei (und Hallmark-Karten) heraus…“ Das Himmelslicht wird mehrfach gefiltert, ausgehend von der Kamera und endend in einer Vielzahl dunklerer Absichten.
„Village” (2006), das Bild auf dem Katalogcover, lässt eine multikulturelle Gemeinschaft aus Tipis, Jurten und anderen von Hand gefertigten Hütten entstehen, ein Konzept, das Jacobsen 2011 in seiner Einzelausstellung in der Klemens Gasser & Tanja Grunert Gallery, New York, zu skulpturalen Formen weiterentwickelt hat. Die aus Gebäudeabrissen stammenden gesammelten Holzbalken in seinem Atelier wurden zu strukturellen Elementen in „Petrify”, „Seminary”, „Pine Badge” und „Sprucehead” (2011) und führten das Motiv der landestypischen Blockhütte ein. So errichtete Jacobsen im Erdgeschoss der Galerie ein Objekt, das als Camera Obscura diente und zugleich mit persönlichen Gegenständen und Arrangements aus seinem Atelier ausgestattet war. „American Language“ ist Jacobsens ambitionierteste Installation und stellt einen Scheidepunkt dar zwischen gemalter Sehnsucht und dem Ehrgeiz, sich mit eigener Hände Arbeit ein Heim zu schaffen. Dieses symbolische Heim erlaubte es dem Künstler, seine eigene Umgebung unter Zuhilfenahme althergebrachter Grundfertigkeiten des Hüttenbaus zu gestalten und zu bestimmen. Als sein bisher stärkstes Statement zur Frage, wie es nach dem Zusammenbruch mit der Zivilisation weitergehen könnte, beginnt Jacobsen die in seinen früheren Werken gezeigten Prinzipien zu befolgen und zu leben – und hier verschmelzen Atelier, Schaffen und Leben des Künstlers zu einer Einheit.
Passionierter Sammler einzigartiger Objekte
Andrea Hill, Kuratorin (Auszüge aus „Messias-Komplex“)
22.11.2017
Daniel Burens bahnbrechender Essay „The Function of the Studio“ von 1971 hatte zur Folge, dass Künstler sich scharenweise vom traditionellen Atelier abwandten, hin zu raumspezifischen Arbeitsweisen etwa oder Strategien der Auslagerung künstlerischer Produktion. Für Paul Jacobsen und viele weitere zeitgenössische Künstler hingegen bleibt das Atelier der Mittelpunkt ihres Schaffens, ein realer Ort, wo kreative mentale Prozesse in Gang gesetzt werden. So erweist sich Jacobsens Atelier als ein ständig in Bewegung befindliches Arrangement von Gemälden, eingebettet in ein Sammelsurium aus Fotografien, Bildern aus dem Internet, Gegenkulturliteratur, handverlesenen Holzbrettern, Fensterrahmen, Gläsern mit Federn oder zufällig neuen Stühlen und Hockern.
Die Herstellung dieser Objekte erforderte einst echte Handwerkskunst – und so erstaunt es kaum, dass auch seine Gemälde vorindustrielle Prinzipien in ein postzivilisatorisches Zeitalter übertragen, wo diese Fähigkeiten wieder gefragt sein werden. Die Bildvorlagen in seinem Atelier stammen aus verschiedensten Büchern, privaten und inszenierten Fotografien ebenso wie aus dem Internet heruntergeladenen Aufnahmen von Freiheitskämpfern und Terroristen, Mind-Control-Entwicklern und Sektenführern. Jacobsen schafft hier eine Bühne, auf der die natürliche Welt und ihre Werte wie Handwerk, Geschick und Schönheit wieder die Oberhand gewinnen über die in der modernen Gesellschaft seit dem
18. Jahrhundert dominanten industriellen und technischen Werte.
Im gesamten Werk Paul Jacobsens erweisen sich die malerischen, meistervoll ausgeführten Bilder stets als Illusion voller tiefgründiger Warnungen in Bezug auf unsere heutige Lebensweise und mögliche Szenarien nach dem Zusammenbruch der Industriegesellschaft.