
Leszek Skurski – Zwischen Figur, Raum und Erinnerung
Wir schätzen Leszek Skurski als Künstler, dessen Werke uns – ebenso wie viele Besucher:innen unserer Galerie und internationaler Messen – seit über einem Jahrzehnt durch ihre ruhige Präsenz und subtile Klarheit faszinieren.
Seine kürzlich erschienene Monografie war für uns Anlass, mit ihm noch einmal ganz persönlich ins Gespräch zu kommen.
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Leszek, viele deiner Sammler:innen beschreiben deine Bilder als besonders ruhig, fast meditativ.
Erlebst du selbst diese Ruhe beim Malen – oder sieht dein Atelieralltag ganz anders aus?
Wahrscheinlich macht die Farbe Weiß diese vermeintliche Ruhe so spürbar. Ich habe nie explizit nach Ruhe gesucht, allerdings arbeite ich tatsächlich gerne in einer Umgebung, in der ich nicht abgelenkt werde. Das Malen ist aber in meinem Fall nicht unbedingt monoton(!) – es ist hochkonzentriert, so richtig ruhig ist es nie.
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Du arbeitest in Fulda, teilweise auf Mallorca, einem Ort voller Licht und Weite – und bist in Polen aufgewachsen.
Wie beeinflussen diese Gegensätze deinen Blick auf Raum, Farbe und deine eigene Identität als Künstler?
Diese Frage stelle ich mir selbst sehr oft. Aufgewachsen bin ich in Danzig in den Achtzigerjahren, wo es wirklich generell ziemlich grau war, und deshalb glaube ich, dass mir diese monochrome Darstellung sehr nahe kam.
Nicht, dass ich keine Lust auf farbige Bilder habe – sehr sogar. Nur: Ehrlicher wirken für mich die Ideen in Weiß...
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In deiner gerade erschienenen Monografie wird die Bedeutung von „happy accidents“ erwähnt.
Gab es zuletzt einen Moment, in dem ein Zufall dein Bild auf unerwartete Weise bereichert hat?
Ja, sicher passiert das. Meistens aus Frust, dass irgendwas nicht funktioniert. Dann ändere ich das Konzept total, um mich von der nicht mehr von mir geliebten Idee zu befreien. Meistens ist es noch schlimmer. Manchmal aber entsteht ein wahnsinniges Werk.
Dann frage ich mich: Was habe ich gerade gemacht?! Und das lässt sich schwer wiederholen.
Neulich ist mir ein frisches Bild auf den Kopf gefallen – wirklich! Unmengen von Ölfarbe in den Haaren. Aber interessante Struktur! Ich verrate nicht, welches Bild das ist...
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Auch der Dramatiker Heiner Müller wird dort mit den Worten: „Der Sprung macht die Erfahrung – nicht der Schritt.“ zitiert.
Gibt es in deiner Arbeitsweise oder sogar Laufbahn einen bestimmten „Sprung“, einen Moment des Risikos, der besonders wichtig für deine künstlerische Entwicklung war?
Ja, das stellst du aber erst viel später fest! Das ist das Verrückte in der Kunst. Du machst Sachen, experimentierst und schaffst immer wieder neue Dinge. Irgendwann siehst du das aus der Distanz, und dann kannst du die Sprünge erkennen.
Ich vermute immer noch, dass in meinem Fall die Arbeit Abgang dem Sprung im Sinne von Heiner Müller entspricht.
Es war das Bild, bei dem ich wusste, was ich machen muss, und es gab keine Zweifel. Ein unbeschreiblicher Flow.
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Wir alle fragen uns oft, wann du entscheidest, dass ein Bild fertig ist.
Gibt es dafür einen klaren Moment, ein bestimmtes Gefühl – oder ist das jedes Mal aufs Neue offen?
Alte Künstlerwahrheit besagt, dass es fertig ist, wenn ihr es in der Galerie aufgehängt habt.
Mit der Zeit glaube ich, dass jeder Künstler dieses bestimmte Momentum fühlt und weiß, dass das Werk nicht besser sein kann.
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Deine Werke sind weder laut noch erklärend – und gerade deshalb zeitlos.
Ist diese Offenheit etwas, das du bewusst suchst – oder ergibt es sich aus dem Malprozess?
Moment mal! Manche meiner Bilder schreien mich geradezu an.
Ich weiß, dass sie diese Wirkung haben – und dass sie gleichzeitig sehr lautlos sein können.
Das erhöht die fokussierte Stimmung und hilft eventuell, sich in meine Welt zu versetzen.
Das hoffe ich zumindest.
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Fast 3000 Bilder hast du bislang geschaffen. Dennoch wirkst du noch immer neugierig und offen für Neues.
Gibt es etwas, das du in Zukunft unbedingt ausprobieren oder verändern möchtest?
Gefühlt sind es noch zehnmal so viele, die ich malen will und muss.
Die Entscheidung fällt mir schwer, was ich als Nächstes mache.
Und gleichzeitig ist das eine wunderbare Situation: zu wissen, dass es so begrenzt ist.
Dann ist jede Entscheidung ein wichtiger Punkt.
Es gibt so viele Konzepte, die ich geplant habe – die Zeit ist aber bekanntlich begrenzt.
Ich habe zum Beispiel heute lange nur Felsen fotografiert und beobachtet. Wahnsinniges Thema, kunsthistorisch absolutes Highlight.
Aber um das richtig zu machen, brauche ich wahrscheinlich mindestens zwei Jahre. Da muss ich noch mal drüber nachdenken.
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Eine letzte Frage, fast poetisch:
In vielen deiner Bilder scheinen verschiedene Momente gleichzeitig stattzufinden – als würde Zeit sich auflösen.
Spürst du beim Malen selbst ein anderes Zeitgefühl?
Tatsächlich sehr poetisch. Deshalb machen wir es teilweise auch – wir Künstler – um die Zeit zu stoppen, denke ich.
In doppelter Hinsicht: im Kunstwerk und während der Arbeit.
Gewissermaßen ist das so – die Welt dreht sich weiter, und ich erfinde meine Zeitmaschine mit der Farbe und schmutzigen Händen...
Oh, entschuldige: Farbe ist kein Schmutz.